HÖREN, RIECHEN, SEHEN, FÜHLEN, SCHMECKEN: ROBERT AMES RÄUMT SINNLICHEN ERFAHRUNGEN VIEL RAUM EIN. GENAU DAS MACHT DEN KOMPONISTEN, MUSIKPRODUZENTEN UND DIRIGENTEN SO ERFOLGREICH. ER DIRIGIERTE DAS ORCHESTER FÜR DEN SOUNDTRACK VON "IM WESTEN NICHTS NEUES", DER MIT DEM OSCAR FÜR DIE BESTE FILMMUSIK AUSGEZEICHNET WURDE. IM INTERVIEW ERKLÄRT DER ENGLÄNDER, INWIEWEIT ER SICH NICHT NUR IN DER MUSIK, SONDERN AUCH BEIM KOCHEN VON SEINER INTUITION LEITEN LÄSST.

Interviewerin Susanne Gotzek

Robert, das London Contemporary Orchestra, das Sie und Ihr Partner gegründet haben, wird als "kreative Kraft hinter einigen der erstaunlichsten klassischen Kompositionen und avantgardistischer Popmusik" beschrieben. Sie selbst haben einmal gesagt: "Ich spüre die Energie, bevor alles kommt." Wie entsteht die Musik in Ihrem Kopf?

Es ist immer anders, weil ich musikalisch einige verschiedene Dinge mache. Ich dirigiere die Musik anderer Leute, ich orchestriere die Musik anderer Leute und schreibe auch meine eigene. Das sind eigentlich alles verschiedene Prozesse. Komponieren ist für mich sehr spontan. Ich neige dazu, ziemlich schnell zu schreiben und brauche dann ewig, um etwas fertigzustellen. Ich benötige etwa zehn Prozent der Zeit, um 90 Prozent der Komposition zu machen, und dann etwa 90 Prozent der Zeit, um die letzten zehn Prozent fertig zu stellen. Es braucht viel Zeit, die Musik zu optimieren, bis sie sich richtig anfühlt.

Sie haben das Orchester bei der Filmmusik „Im Westen nichts Neues“ dirigiert, die kürzlich den Oscar für die beste Filmmusik gewonnen hat. Was war dabei die größte Herausforderung, die Musik zu dirigieren, die als "Schrei gegen den Krieg" bezeichnet wurde?

Der Film ist unerbittlich intensiv. Er lässt einem kaum Luft zum Atmen. Es ging darum, einen Weg zu finden, wie die Musik das Drama verstärken konnte, ohne das Publikum völlig zu verschrecken. Der Grund, warum die Musik so gut funktioniert und so besonders ist, liegt meiner Meinung nach darin, dass sie Raum und Zeit schafft, um etwas Leichtigkeit in die Geschichten zu bringen und einige der Persönlichkeitsstränge der einzelnen Figuren herausarbeitet.

Was bedeutet Kreativität für Sie?

Kreativität ist so sehr Teil meiner Arbeit, dass ich mich selbst gar nicht als aktiv kreativ betrachte. Ich lebe ein Leben, in dem ich zum Glück beruflich das tun kann, was meine Leidenschaft ist, - nämlich Musik. In meiner Freizeit höre ich Musik. Ich schreibe Musik, wenn ich arbeite, ich dirigiere Musik, ich lese Bücher und schaue Filme. Mein Partner ist ebenfalls Musiker, viele meiner engen Freunde sind Künstler und Musiker, und Kreativität gehört einfach zu meinem Leben dazu. Vielleicht ist das der Grund, warum ich beim Schreiben schnell vorankomme und am Ende eine Menge Arbeit habe: Ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken, weil ich es gerne ein wenig fließen lasse.

Was braucht es, um etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen?

Ich brauche den geistigen Freiraum, um etwas zu schaffen, das ganz und gar meins ist, etwas, bei dem ich nicht für jemand anderen arbeite oder für jemand anderen interpretiere oder versuche, die Kunstfertigkeit von jemand anderem zu vergrößern.

Was macht das Unkonventionelle so interessant für Sie? Warum sehnen Sie sich danach?

Das wirklich Großartige an der Musik ist, dass es im Grunde unmöglich ist, mit ihr an ein Ende zu kommen, weil sie so vielseitig ist. Es gibt so viele verschiedene Dinge, die man kombinieren kann, so viele verschiedene Dinge, die man tun kann, so viele Genres, so viele Texte, dass es wirklich unmöglich ist, sich zu langweilen, unmöglich, nicht etwas Neues zu finden, um sich zu begeistern.

Was sind die wichtigsten Inspirationsquellen für Ihre Musik?

Mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, ist für mich die Voraussetzung, um etwas Neues zu schaffen, um Musik zu komponieren, die es so noch nicht gegeben hat. Diese Offenheit ist für mich der Funke der Kreativität. Musik ist überall. Zum Beispiel, wenn ich durch den Wald gehe. Der Wind in den Bäumen, das Rascheln der Blätter, der Duft des Bodens, all das verschmilzt zu einem Gefühl, das mich eine ganz neue Musik hören lässt

NEFF glaubt, dass Offenheit die Voraussetzung ist, um etwas Neues zu schaffen, gewissermaßen der Funke der Kreativität. Welche Rolle spielt Offenheit in Ihrem täglichen Leben?

Eine große Rolle. Meine musikalischen Interessen waren schon immer breit gefächert. Als ich aufwuchs, gehörte ich zur Napster- und Musik-Download-Generation. Ich habe Brahms und Stievie Wonder gehört. Dieses Gefühl, zwischen verschiedenen Genres hin- und herspringen zu können, ist etwas, das mir geblieben ist und auch heute noch einen großen Teil meiner Praxis ausmacht.

Wo sehen Sie persönlich die Verbindung zwischen Ihrer musikalischen Profession und ihrer Leidenschaft fürs Kochen?

Was ich am meisten am Komponieren mag, ist das Mischen und Remixen zu etwas völlig Neuem - einen Fluss, einen Rhythmus zu finden. Intuition ist auch beim Kochen wichtig, ebenso wie der kreative (Koch-)Fluss, der einer ähnlichen Dramaturgie folgt wie die Musik – um schließlich im fertigen Gericht und im gemeinsamen Essen zu kulminieren. Wie in der Musik liebe ich es, wenn meine Gäste mein Essen zu schätzen wissen.

Wie und wo lassen Sie sich für Ihre Kochkünste inspirieren, womit experimentieren Sie?

Ich mache verschiedene Phasen durch, in denen ich mich für verschiedene Dinge interessiere, und das hängt oft mit meinen Reisen zusammen. Ich war gerade in Griechenland im Urlaub, also ist mein Kühlschrank im Moment voll mit griechischen Lebensmitteln. Der letzte Urlaub, den ich gemacht habe, war in Italien, und ich war geradezu besessen davon, frische Tomaten und guten Mozzarella zu finden und kreative Gerichte mit Pasta zu kochen. Das ändert sich ständig.

Auch die Küche verändert sich. Ihr wird eine andere Rolle in der Gesellschaft zugewiesen.

Ich denke, eine moderne Küche ist ein Ort der Gemeinschaft. Sie ist der Ort, an dem Familien zusammenkommen und Zeit verbringen. Wir sind alle so beschäftigt, dass der letzte Teil der Familienzeit das gemeinsame Essen ist. Das erstreckt sich auch auf die Zeit, in der man kocht. Wenn man also eine schöne, offene Küche hat, wird das Gefühl von Gemeinschaft verstärkt.

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