Es ist eher ein Sehnsuchtsmittel. Man denkt dabei an einen Sommerabend in einer lauschigen Trattoria. An Sonne, Meer, knorrige urwüchsige Bäume und sonnengegerbte Gesichter. Wenn wir das grüngoldene Elixier über unseren Salat oder unsere Pasta träufeln, fließt unser Traum von einem einfachen, gesunden Leben mit.
Olivenöl ist kein Nahrungsmittel.
Das Land, in dem die Olivenbäume blühen
Im äußersten Südwesten Kataloniens, in der sanften Tiefebene zwischen den schroffen Bergketten des Prades, den Weinbergen des Priorat und dem Strand der Costa Daurada erstrecken sich auf nur 20 Kilometer Breite die fruchtbaren Olivenhaine des Baix Camp. Mittendrin liegt das kleine Städtchen Riudoms. Salvador Dalí hat gleich um die Ecke im Küstenort Cambrils seine Sommer verbracht. Hier verfeinert Josep-Maria Mallafré die Kunst des Olivenölherstellung.
Ab Anfang November ist auch in der Mühle von Josep-Maria Mallafré Hochbetrieb
Bis in die Dunkelheit hinein stehen die Ernte-Trecker mit ihrer frischen Ladung Schlange. Sobald sich die Dämmerung über die Ebene senkt, sieht man ihre blinkenden Warnlichter durch die Felder und Dörfer wandern. Trotz der regen Betriebsamkeit auf dem Hof und der Wartezeit kommt kein Stress auf. Man kennt sich hier und nutzt die Zeit. An kühlen Tagen feuert Josep-Marias Mutter drinnen in der kleinen Halle den Holzofen an und serviert ein paar Tapas zum Wein. Es gibt immer genug zu besprechen. Die Bilanz des neuen Trainers des FC Barcelona wird hier genauso ausgiebig erörtert wie die jüngsten Initiativen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.
Die Gesichter der älteren Bauern erzählen noch etwas von der bewegten Geschichte der Region.
Die Mühle der Mallafrés selbst ist Schauplatz gewesen. Ein paar alte Mühlsteine und schwere gusseiserne Pressen auf dem Hof erinnern noch an die Zeit, als Josep-Marias Großvater, der die Mühle aufgebaut hatte, mit seiner Familie vor Francos Truppen nach Frankreich fliehen musste. Um die Mühle nicht an das Militär-Regime zu verlieren, schickte der überzeugte Republikaner seinen kleinen Sohn, Josep-Marias Vater, regelmäßig über die Grenze, um in Riudoms nach dem Rechten zu sehen. Als Kind brauchte er sich nicht auszuweisen und konnte so ungehindert die Anweisungen des Vaters überbringen.
„Mein Vater war die Mühle.“
Später kehrte die Familie in die Mühle zurück. Josep-Marias Vater übernahm die Geschicke der Firma und baute sie weiter aus. „Mein Vater war die Mühle. Das Wichtigste, was er mir mitgegeben hat, ist seine Leidenschaft.“ Josep -Maria zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Foto an der Wand. Man erkennt drei Männer in schmutziger Arbeitskleidung zwischen den Strohmatten, auf denen sie gemahlene Olivenpaste verteilen. Im Hintergrund eine riesige Ölpresse. Einer von ihnen schaut in die Kamera. Es ist sein Vater. Für einen kurzen Augenblick spürt man ein Innehalten beim sonst eher quirligen Josep-Maria. Als sein Vater vor neun Jahren bei einem Autounfall starb, musste er von heute auf morgen die Mühle übernehmen.
Ein harter Schlag für Familie und Firma
Die Begeisterung seines Vaters hat er übernommen, sonst hat er vieles verändert. Neben den älteren Maschinen steht seit einiger Zeit eine neue Mühle. Kleiner als die alte, aus blitzendem Edelstahl. „Tradition ist uns schon wichtig, aber die Qualität des Öls ist wichtiger“, sagt er mit einem Schulterzucken. Die Technik der Ölproduktion hat sich bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts so gut wie nicht verändert.
So wie früher
Die Oliven wurden zuerst von Blättern und Schmutz befreit, um dann von zwei rotierenden Mühlsteinen zu einer homogenen Paste zerkleinert zu werden. Die Paste wurde dann auf mehrere Lagen Strohmatten verteilt, die von einer riesigen Maschine zusammengepresst wurden. Das Öl quoll an den Seiten der Mattentürme heraus und wurde aufgefangen. Viele Produzenten wehrten sich lange gegen neue Verfahren. Man hatte es doch so gemacht, seit man denken konnte. In der Art der Herstellung sahen sie eher einen kulturellen Akt als einen bloßen Produktionsprozess. Und den galt es zu erhalten.
Josep-Maria hatte da seinen eigenen Kopf
Oder einfach etwas mehr Mut. Als erster Ölmacher in Spanien begann er, aromatisierte Öle zu produzieren. Ein Affront für die örtlichen Oliven-Traditionalisten. Selbst seine Mutter war zuerst sehr skeptisch. Er integrierte Kräuter und Gewürze in die Pressung, ein Verfahren, das es bis dahin nicht gab. Mit Erfolg. Heute verkauft er seine Aroma-Öle in die ganze Welt.
Brücke zur Tradition
Mittlerweile hat er sich längst das Vertrauen der Kritiker zurückerobert. Auch weil es ihm gelingt, eine Brücke zwischen der Tradition und der Zukunft des Olivenöls zu bauen. Er nutzt neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und tüftelt an Verfahren, die Qualität des Öls weiter zu verbessern. Dank der neuen Mühle können die Bauern jetzt wieder wie ganz früher ihr eigenes, sortenreines Öl bei ihm produzieren lassen, nur in noch besserer Qualität. Eine schöne, alte Tradition, neu interpretiert. Überhaupt wirbt er dafür, Olivenöl neu zu betrachten:
„Man muss es absolut wie Wein behandeln."
Der unterscheidet sich geschmacklich nach Erntezeitpunkt, Rebsorte, Lage und Terroir. Beim Olivenöl ist es nicht anders. Jedes Öl hat eine eigene Charakteristik. Wir müssen sie schätzen lernen.“ In der Abfüllanlage werden jetzt die ersten Flaschen von Hand abgefüllt. Ein dicker Strahl sattgrünes Öl fließt aus dem Stahltank in die etikettierten Flaschen. „Jetzt, am Anfang der Ernte, sind die Oliven noch sehr grün und schmecken bitter“, sagt Josep-Maria. „Das Öl, das wir daraus gewinnen, nennen wir „Primaro“. Vom Geschmack her ist es sehr fruchtig, grasig und scharf in der hinteren Note. Es ist im Prinzip wie der erste Wein, der „Primeur“ oder der Federweißer. Weil das Öl nicht zentrifugiert wird, ist es reich an schwebenden Fruchtstoffen. Genau wie der Federweißer muss es frisch verkostet werden. Später, wenn die immer noch starke Herbstsonne die Früchte dunkler und reifer gemacht hat, schmeckt auch das Öl milder und reifer. Ein Schluck, und man merkt schnell: Mit dem Öl, das man aus dem Supermarkt kennt, hat das nicht viel zu tun. Es schmeckt eher nach Fruchtsaft als nach Öl. Köstlich.
Josep-Maria schmunzelt
„Viele vergessen, dass die Olive eine Frucht ist, wie der Apfel. Sortenreiner Direktsaft schmeckt auch besser als die verzuckerten Industriesäfte. Die meisten Leute sind leider einfach an eine verhältnismäßig schlechte Öl-Qualität gewöhnt. In manchen Restaurants steht das Öl schon mal ein bisschen zu lang auf dem Tisch“, sagt er mit einem Grinsen. „Dann ist es natürlich ranzig. Wie soll es da schmecken?“
Der Kapitän und seine Bäume
Josep Maria Mir-Folchs Herz hängt an zwei Dingen: dem Meer und Olivenöl aus eigener Herstellung. Jahrzehntelang ist er als Kapitän um die Welt gesegelt - und immer wieder hat es ihn auf das Landgut seiner Familie zurück gezogen. Die Massia hat sich natürlich mit der Zeit geändert, aber sie ist immer Joseps Zuhause geblieben. Hier geht er seiner großen Oliven-Leidenschaft nach.
Die meisten Bäume sind älter als er,
einige der Methusalems wurzeln schon weit über hundert Jahren in den Hainen der Massia. Sie tragen immer noch gut. Wie jeder Olivenbaum ein Jahr etwas reicher, ein Jahr etwas ärmer. Einen Großteil erntet Josep Maria Mir-Folch immer noch selbst. Von Hand, versteht sich, da hat er seinen Stolz. Schließlich wird daraus auch sein Öl. Und das vertraut er nur Josep Maria Mallafré an.
Während in vielen anderen Mühlen die Ernte vieler Bauern zusammengeschüttet und zu einem Öl gepresst wird, produziert Mallafré in seiner Mühle einzelne Ernten sortenrein und personalisiert. Josep Maria Mir-Folch ist ein großzügiger Mann, der sein Olivenöl gerne an Freunde verschenkt. Er bietet es auch Kurzurlaubern an, die in seinem frisch renovierten Turmzimmer übernachten.
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