LEAF TO ROOT HEISST DER KULINARISCHE TREND, BEI DEM VOM BLATT BIS ZUR WURZEL ALLE PFLANZENTEILE GENUTZT WERDEN. FÜR KREATIVE KÖCHE EINE QUELLE DER INSPIRATION.
In der Wurzel liegt die Kraft
In kargen Zeiten war es die Notwendigkeit zu überleben. In unseren Tagen erhalten Wurzeln, Schalen, Stiele und Strünke eine Aufwertung als kulinarische Delikatesse. Sie schmecken nicht nur besonders aromatisch, in ihnen stecken auch jede Menge gesunder Nährstoffe. Viel zu schade, um sie wegzuschmeißen.
Früher wurde nichts weggeworfen
Klar, dass man respektvoll mit den Feldfrüchten umgeht und möglichst alle Pflanzenteile nutzt, die man der Erde abgerungen hat. Früher war das kein Trend, sondern überlebensnotwendige Praxis: Nichts wurde weggeworfen, alles fand Verwendung.
Eine neue Esskultur
Heute steht die Leaf-to-Root-Idee für Respekt vor der Natur. Das war auch Antriebsfeder der Food-Journalistin Esther Kern: Im Jahr 2014 hat sie auf ihrer Website waskochen.ch eine Aktion für verschmähte Gemüseteile ins Leben gerufen und diese „Leaf to Root“ genannt. Sie wurde damit zur Mitbegründerin einer Esskultur mit einer Fülle kreativer Rezepte, in denen Schalen, Stiele und Strünke nicht als Abfall, sondern als wertvolle kulinarische Ressourcen betrachtet werden. Darum geht es auch in ihrem Buch "Leaf to Root". Viele dieser Gemüseteile können auch auf einem veganen Charcuterie Board als Snack oder als Zutat verwendet werden.
Entdecke die Möglichkeiten
Nehmen wir das Karottenkraut: das Kraut ist eine super Basis für Green-Smoothies oder Pesto und schmeckt hervorragend, wenn man es frittiert und salzt. Pfirsich- und Aprikosenkerne eignen sich zum Aromatisieren von Desserts und Speiseeis. Melonenschalen lassen sich wunderbar zu Chutneys und Konfitüren verarbeiten und Kartoffelschalen kann man im Ofen zu knusprigen Chips backen. Selbst Artischockenblätter und -stiele finden Verwendung: Sie werden zu einem schmackhaften Süppchen veredelt.
Profis puschen den neuen Trend
Weil das Ungewöhnliche kreative Geister anzieht, ist es nicht verwunderlich, dass viele Spitzenköche von der Leaf-to-Root-Idee fasziniert sind. In der Top-Gastronomie haben vegetarische Kreationen Fleisch und Fisch ohnehin den Rang streitig gemacht. Beim New Green Cooking wird Gemüse zum Mittelpunkt einer Extravaganten und gesunden Küche.
Apfelkerne und Kartottenkraut
Daniel Achilles zum Beispiel, der vielfach prämierte Koch, verwendet in seinem Berliner Restaurant „Reinstoff“ Dahlienknollen, Erbsenblüten und Rapsgrün. Stefan Wiesner vom Schweizer „Rössli“ experimentiert in seiner avantgardistischen Naturküche mit Tomatenrispen, Apfelkernen und Karottenkraut. Sternekoch Fabian Spiquel vom „Maison Manesse“ in Zürich nutzt gar Schalen mit Erde daran. Dafür schält er noch leicht dreckige Kartoffeln, röstet die Schalen und kocht sie dann mit den Kartoffeln.
Köche sollten erst Bauern werden
Johann Reisinger, einer der höchstdekorierten Köche Österreichs, ist bekannt für seine radikal natürliche Küche. Im Buch „Leaf to Root“ rät er Jungköchen und ambitionierten Amateuren, die sich intensiver mit der Idee befassen wollen: „Die sollten erst Bauern werden, um überhaupt zu verstehen, woher das Gemüse kommt, wie es wächst.“ Wer alle Teile eines Gemüses verwenden möchte, so Reisinger im Gespräch mit Buchautorin Esther Kern, sollte eine Regel beherzigen: Kaufe deine Zutaten nur bei Bauern, die du persönlich kennst und denen du vertraust. Du musst dich nämlich darauf verlassen können, dass sie keine Spritzmittel verwenden, denn Giftstoffe lagern sich häufig gerade in äußeren Blättern und Wurzeln ein.
Vorsichtig herantasten
Wer Leaf to Root ausprobieren möchte, sollte sich vorsichtig an den Ernährungstrend herantasten. Insbesondere wer es nicht gewohnt ist, größere Mengen Ballaststoffe zu essen, sollte es am Anfang nicht gleich übertreiben, um Magengrimmen und Darmstörungen vorzubeugen. Grundsätzlich gilt: Alle Produkte sollten biologisch angebaut und frei von Spritzmittelrückständen sein. Und noch ein Tipp: Junges Gemüse ist für Anfänger am besten geeignet, weil die Fasern noch weicher und verdaulicher sind.
Warnung: Nicht alle Pflanzenarten sind für die Leaf-to-Root-Anwendung geeignet. Tomatengrün und grüne Bereiche der Kartoffelschale zum Beispiel enthalten vermehrt Solanin, ein Glykoalkaloid mit leicht toxischer Wirkung, das in allen Nachtschattengewächsen enthalten ist.
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