Es gibt gute Bakterien und es gibt böse Bakterien. Letztere sind im wahrsten Sinne des Wortes lebensgefährlich. Die guten Bakterien dagegen sind geradezu essenziell – wir brauchen sie für unsere Gesundheit oder für die Herstellung mancher Speisen. Zur Herstellung von Käse zum Beispiel. Wer also gute Bakterienkulturen gezielt einsetzen will, muss eines tun: optimale Lebensbedingungen schaffen! Da ich bei einem kulinarischen Experiment auf die Gunst spezieller Mikroorganismen angewiesen bin, bereite ich ihnen auf meinem Herd ein warmes Milchbad. Neben mir wartet im „Käseselber-machen-Starterset“ (www.kaese-selber.de) eine Horde Käsekulturen auf ihren Einsatz in der heimischen Küche.
Käseherstellung ist im Grunde die Kunst, Milch kontrolliert gammeln zu lassen. Worauf man achten muss, damit ein köstliches Endergebnis entsteht?
Homemade liegt im Trend
Das Set soll alles enthalten, was ich brauche. Und das ist definitiv schon mal mehr als gedacht: Mesophilekultur ME für Käse, Naturlabextrakt, eine Flasche Calciumchlorid (35-prozentige Lösung), eine gelochte Käseform mit einem Pressdeckel aus Kunststoff, ein Käsetuch und eine Käseabtropfmatte. Nach Anleitung beginne ich mit dem Aufwärmen von fünf Litern pasteurisierter Milch. Bei 25 Grad kommen ein Löffel Käsekulturen und 40 Tropfen in Wasser aufgelöstes Calciumchlorid dazu. Hat die Skala des Kochthermometers dann 36 Grad erreicht, muss das Kochuntensil vom Herd. Bei diesen Temperaturen geht’s meinen winzigen Helfern besonders gut und sie strotzen nur so vor Aktionismus. Unterstützt werden sie dabei von einem Milliliter in Wasser verdünntem Naturlab.
Schneiden, rühren, ruhen
Jetzt heißt es slow down, die Milch muss ganze 30 Minuten ruhen. In dieser Zeit verwandeln Milchsäurebakterien und Enzyme die liquide Mischung in eine schnittfeste Masse. Diese sogenannte Gallerte sieht aus wie im Anleitungsvideo und wird von mir dementsprechend weiterbehandelt. Mit einem scharfen langen Edelstahlmesser schneide ich sie in Säulen. Dafür fahre ich zehnmal längs und zehnmal quer hindurch. Ich verharre zehn Minuten, damit sich die frei gewordene Molke absetzen kann, und wiederhole diesen Prozess in ähnlicher Form zwei weitere Male.
Molke abseihen
Ich bin ein bisschen brüskiert: Denn inklusive der vorgeschriebenen Pausen ist das Ergebnis nach fast zwei Stunden Arbeitseinsatz vom Schnittkäse noch immer weit entfernt. Nun sollen die linsengroßen Kaseinkörner nochmals eineinhalb Stunden in Molke herumstehen und dabei alle 20 Minuten mit dem Löffel bewegt werden. Ich nutze die kurzen Pausen dazwischen und surfe ein bisschen zum Thema Käsen durchs Internet. Dabei entdecke ich, dass jetzt der ideale Zeitpunkt wäre, dem Käsebruch Kräuter und Gewürze unterzumischen. Aber ich lasse lieber die Finger davon. Endlich klingelt mein Handytimer und ich kann mit dem nächsten Arbeitsschritt beginnen: das Abfüllen und Pressen des Bruchs. Ich stelle dafür die Käseform in ein halbhohes Gefäß, damit die Molke aufgefangen werden kann, und fülle dann die Masse hinein. Der passgenaue Deckel wird mit einem Gewicht (bei mir ist das eine Flasche Wasser) beschwert und drückt so die Flüssigkeit aus dem Käsebruch. Und das recht langsam, denn es passt natürlich nicht alles auf einmal in die Form. Für die Masse brauche ich drei Abfülldurchgänge mit jeweils 15 Minuten Presszeit dazwischen.
Auspressen des Käsebruchs
Der Vormittag ist bereits vorbei, als ich anfangen darf, den gepressten Käsebruch zu wenden. Viermal nehme ich den Käseklumpen im Abstand von jeweils 30 Minuten aus der Form, drehe ihn um und beschwere ihn wieder mit dem Gewicht. In dieser Phase schrumpft meine Freude am eigenen Käse, denn der Arbeitsaufwand scheint mir in keinem Verhältnis zu dem Frischkäse-Laib zu stehen, der nach weiteren zwei Stunden weiß und grobporig vor mir liegt. Die gute Nachricht: Für heute ist Feierabend, denn die nächsten 15 Stunden soll der Laib abtropfen. Der Endspurt der Käseproduktion beginnt am Tag darauf mit einem ausführlichen Bad in Salzlake. 100 Minuten später drapiere ich endlich das Ergebnis vieler Stunden Arbeit in meiner nagelneuen Reifebox. Atmungsaktiv verpackt darf mein Baby jetzt auf einem Edelstahlgitter vier bis acht Wochen sein Aroma entwickeln. Ab und an werde ich seine Hülle mit Salzwasser einpinseln und das gute Stück wenden, den Rest macht hoffentlich die Natur. Ich schiebe ihn in die wärmste Zone des Kühlschranks und gönne mir ein Glas von der Molke, die quasi als Nebenprodukt entstanden ist. Also, die schmeckt schon mal lecker!
Zur Bestform reifen
Bei der Pflege des Käses mit Salzlake spüre ich, wie sich der Frischkäse verwandelt. Er wird ein bisschen fester, die Hülle schrumpelt ein wenig. Alles läuft nach Plan. Bis ich nach etwas mehr als einer Woche unterm Abtropfrost einen winzigen Klecks Schimmel entdecke. Ob dieser wohl auf meinen Käse überspringen wird? Diese Frage sende ich direkt an das Support-Team der DIY-Box. Man rät mir, die Reifung abzubrechen und den noch unversehrten Käse einfach direkt zu verzehren. Weil er Feta ähnelt, mariniere ich den gesamten Laib in Olivenöl mit getrockneten Kräutern und Chili. Zwei Tage später wird serviert. Das Ergebnis ist echtes Seelenfutter: die Konsistenz leicht cremig, das Aroma würzig. Der Frust über den vorzeitigen Abbruch weicht einem Glücksgefühl.
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