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Charles Spence ist einer der weltbesten Gastrophysiker. Er erforscht die Psychologie des Essens. Sein Forschungsschwerpunkt ist der Einfluss, den Farben, Formen und Erinnerungen auf unseren Geschmackssinn haben.

Professor Spence, was essen Sie am liebsten?

Ich mag einfache Gerichte, wie Pasta al Arrabiata. Was ich überhaupt nicht mag sind Fertiggerichte und Convenience-Produkte: ich koche nur mit frischen Zutaten. Dafür experimentiere ich gerne mit ungewöhnlichen Zutaten und Gewürzen. Außerdem entspanne ich mich beim Kochen so schön.

Ihr Großvater hat in seinem Lebensmittelgeschäft heimlich Kaffeebohnen mit seinem Schuhabsatz zertreten. Warum?

Ganz einfach, um Kunden anzulocken. Ich erzähle das, weil es ein tolles Beispiel für die frühen Anfänge von sensorischem Marketing und Verkaufsstrategien ist. Zerdrückte Kaffeebohnen riechen nach frischem Kaffee. Das ist ein genialer Trick, denn frisch gemahlener Kaffee gehört auf der ganzen Welt zu den beliebtesten Gerüchen. Außerdem hören die Kunden das Knacken der Kaffeebohnen, was eine gute Konsistenz der Bohnen und damit Frische signalisiert. Insofern hat mein Großvater mehrere Sinne stimuliert. Auf seine Art war er ein Pionier in multisensorischen Marketingtechniken, genauso wie sie in Supermärkten heute verwendet werden, um die Kunden zu größeren Einkäufen zu motivieren: heute kann man viel anfassen und probieren. Das ist das moderne Äquivalent zum Lebensmittelladen meines Großvaters.

Mit der Nase schmecken

MIT DER NASE SCHMECKEN

Aromen intensivieren Geschmack. Ohne unseren Geruchssinn könnte unsere Zunge einen Apfel nicht von einer Zwiebel unterscheiden.

Meinen Sie damit, dass multisensorische Tricks unser Geschmacksempfinden erhöhen?

Ganz genau. Im Mund genießen wir den Geschmack und es fühlt sich so an, als ob sich die Geschmäcker auf der Zunge entfalten. Allerdings spielen unsere Augen und Nase eine nicht zu unterschätzende Rolle: Was wir sehen und riechen erzeugt eine Erwartungshaltung, die wiederum einen Trigger für die Geschmäcker auslöst, die wir dann wirklich schmecken. In einem Experiment mit Jelly Beans haben wir die Teilnehmer gebeten, sich beim Essen die Nase zuzuhalten. Das Ergebnis war, dass sie nur die Grundgeschmäcker süß, salzig, sauer und bitter schmecken konnten. Erst als sie ihren Geruchssinn wieder dazu genommen haben, konnten die Teilnehmer das ganze Kaleidoskop der Geschmäcker wahrnehmen, also auch die fruchtigen Aromen. Das gilt übrigens für alle Aromen, so wie beispielsweise blumig, fleischig, kräutrig, oder sahnig. Das ist alles Aufgabe der Nase; unser Gehirn täuscht uns mit dem, was wir auf der Zunge schmecken.

Traue deinen Augen nicht

TRAUE DEINEN AUGEN NICHT

Rotgefärbter Weißwein kann selbst Weinexperten täuschen. Angeblich schmeckten sie Aromen, die gar nicht da waren.

Ein Schwerpunkt Ihrer Forschung liegt auch auf der Tellerfarbe und dessen Einfluss auf unsere Wahrnehmung beim Essen?

Anfangs haben wir uns darauf konzentriert, welche Auswirkung Farben auf unsere Wahrnehmung beim Essen haben. Bald hat sich aber herausgestellt, dass Form, Oberfläche und das Gewicht der Teller ebenso wichtig sind: wir erleben Essen anders, wenn es auf Tongeschirr serviert wird. Bislang wissen wir, dass dieses Material den Geschmack von Gewürzen besonders betont. In einer Studie in einem schottischen Hotel hat sich auch herausgestellt, dass selbst das Besteck sich auf unseren Geschmackssinn auswirkt; Gäste, die mit schwereren Messern, Gabeln und Löffeln gegessen haben, empfanden das Essen hochwertiger und waren entsprechend gerne bereit, mehr zu bezahlen.

Teller tricksen unsere Sinne aus

TELLER TRICKSEN UNSERE SINNE AUS

Designer Reiko Kaneko hat für NEFF eine Tellerkollektion entworfen, die durch Professor Spences Forschung inspiriert wurde. Vorspeisen mit Meeresfrüchten schmecken salziger auf dem Teller mit der Fischschuppen-Oberfläche, scharfe Aromen von Ingwer kommen in der schwarzen Tonschale intensiver hervor und Nachtische schmecken süßer in der pinken, von Himbeeren inspirierten Schüssel.

Ihre Studien haben zu einer Tellerkollektion für NEFF geführt. Können Sie uns bitte mehr darüber erzählen?

Insgesamt haben wir drei Teller entwickelt. Das erste Design ist vom Meer inspiriert, die Hauptfarben sind blau und weiß, und die Textur erinnert an Fischschuppen. Das Designprinzip des zweiten Tellers ist, stark gewürzte und scharfe Speisen weiter zu intensivieren. Dafür haben wir uns für viel schwarz entschieden. Dieser Teller ist ideal für grüne Speisen, wie Thai Curry. Der dritte Teller ist pink, wodurch die Süße stärker betont wird. Außerdem spielt die Tellerform eine Rolle, da unsere Studien zeigen, dass die Form einen ähnlichen Effekt ausübt: runde Teller intensivieren süße Aromen, wohingegen eckige Teller das Saure besser hervorheben.

Rhytmus und Geschmack

RHYTMUS UND GESCHMACK

Rhythmus, Sound, Tempo, Trommelwirbel – Musik hat riesigen Einfluss auf unseren Geschmackssinn

Welchen Einfluss hat Musik auf unser Essverhalten?

Musik beeinflusst uns auf mehreren Ebenen, von der Lautstärke (sehr laute Musik reduziert unsere Fähigkeit zu schmecken), über Ethno-Musik, die die Fremdheit der Küche aus einer anderen Kultur unterstreicht. Unterschiedliche Musikarten beeinflussen die Geschwindigkeit, mit der wir essen: je schneller der Rhythmus, desto schneller unsere Bewegungen beim Essen. Wir passen uns dem Beat an. Eine ganz aktuelle Studie bestätigt sogar, dass wir Essen noch intensiver wahrnehmen, während wir Geigen, Trommeln oder Pianomusik hören.

Und wie beeinflussen Erinnerungen unseren Geschmackssinn?

Wir lernen sehr früh, dass sich Süße gut anfühlt. Das ist tief im Primärkortex der Großhirnrinde verankert. Viele mögen Bitteres dagegen eher weniger. Wir mögen das, was wir in unserer Kindheit an Sonntagen gegessen haben, besonders gern. In der Tat hat viel von dem, was wir mögen und was wir hassen mit unserer Erinnerung und mit frühen Erlebnissen zu tun. Wenn Menschen anfangen, ihr Erinnerungsvermögen zu verlieren, werden diese Erinnerungen immer wichtiger: sie sind der Schlüssel zu Bereichen in unserem Gehirn, die tief in unserem Unterbewusstsein liegen. Wir können diese Bereiche mit vielen Dingen anregen: Musik, Gerüchen, Geräuschen, Geschmäckern, selbst mit Kontrastfarben.

Portrait Charles Spence

Charles Spence

Charles Spence ist einer der weltbesten Gastrophysiker und Abteilungsleiter für Experimentalpsychologie an der Oxford Universität. Sein Forschungsschwerpunkt ist der Einfluss, den Farben, Formen und Erinnerungen auf unseren Geschmackssinn haben. Seine Ergebnisse erlauben uns spannende Einblicke mit viel Potenzial.

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